Die Geschichte von Eningen unter Achalm

Während die eigenständige Achalmgemeinde heute ihren Einwohnern/-innen wie auch den Besuchern/innen einiges zu bieten hat, war sie 1090, als sie im Bempflinger Vertrag erstmals schriftlich erwähnt wurde, gewiss noch ein recht unbedeutender Flecken. Sein Schicksal war gelenkt von den Interessen des Adels und der Kirche. Zwar wuchs das Dorf bis zum Dreißigjährigen Krieg zu einer stattlichen Gemeinde von immerhin rund 1.300 Einwohnern/-innen heran, doch fegte der verheerende Krieg auch diesen Ort nieder und was er an Verwüstung und Not nicht schaffte, erledigte dann vollends der »Schwarze Tod«.

Als der dreißigjährige Alptraum zu Ende war, war vom einstigen Fortschritt nichts mehr zu spüren, und die Menschen erholten sich nur mühsam. Die zerstörte Agrarstruktur sowie das sprunghafte Bevölkerungswachstum zwangen dazu, nach neuen Existenzgrundlagen zu suchen. Der für Eningen in der folgenden Zeit charakteristische Landhandel hat hier wohl seinen Ursprung. So entwickelte sich Eningen zu einer bedeutenden Händlergemeinde und unterscheidet sich damit bis heute in seiner Geschichte von den vielen typischen bäuerlichen Dörfern der Schwäbischen Alb. Man bedenke, dass Eningen 1843 immerhin annähernd 5.000 Einwohnern/innen zählte und man es gar das »schönste und volkreichste Dorf im Königreich Württemberg« nannte. Mit Handelswaren aus der nahen Gewerbestadt Reutlingen (von Borten und Spitzen bis zu Volksbüchern und Kalendern) machten sich die Eninger Hausierer/-innen mit voll bepackten Krätzen oder - die erfolgreicheren - gar mit Pferd und Wagen auf den Weg. So sah man sie oft weit entfernt im Elsass, der Schweiz oder in Tirol. Mit allerlei nützlichem Kleinkram boten sie den Sesshaften eine willkommene Abwechslung im monotonen bäuerlichen Alltag. In einer Zeit ohne Massenmedien war das weltoffene fahrende Volk der Nachrichtenüberbringer schlechthin. Allerdings war es weniger die Reiselust als vielmehr schlichtweg Existenzsorgen, die zum Landhandel zwangen. Von der Obrigkeit waren die schwer lenkbaren Krätzerträger nicht immer gern gesehen. Reichtum brachte der Landhandel, der mit der Industrialisierung im ausgehenden neunzehnten Jahrhundert zu Ende ging, freilich nur wenigen.

Viele Eninger/innen gingen fortan ins industrialisierte Reutlingen, so dass sich der Ort unter der Achalm mehr und mehr zur Arbeiterwohngemeinde entwickelte. Vor allem aufgrund der geologisch bedingten schlechten Wasserversorgung siedelte sich in Eningen kaum Industrie an. Allein eine Weberei sorgte für die meisten Arbeitsplätze am Ort. Mit der Lokalbahn pendelten die Eninger/-innen zuerst Dampfbetrieben, später dann elektrisch zur Arbeit in die Fabriken (erst 1974 löste der Busverkehr die Straßenbahn ab). Die damals meist kleine Landwirtschaft konnte man nebenbei versorgen. Seit der Jahrhundertwende organisierten sich die vielen Arbeiter/-innen in zahlreichen eigenen Vereinen. Eningen war damals gar - so wird heute noch erzählt - eine »rote Hochburg«. Doch auch die konnte letztlich dem Nationalsozialismus nicht trotzen.

Nach dem Krieg, zwischen 1945–49 gehörte das Dorf zu Reutlingen. Die Achalmgemeinde strebte jedoch schnell wieder ihre traditionelle Selbständigkeit an. Mittlerweile hat sich im Ort einiges getan. Neue Verkehrswege und Baugebiete wurden erschlossen, sofern es die Alb bzw. die Grenzen zu den Nachbargemeinden zulassen. Mit dem Anschluss an die Bodenseewasserversorgung siedelte sich auch so genannte saubere Industrie an. Heute ist Eningen eine selbstbewusste Gemeinde, die darauf bedacht ist, ihre reizvolle Lage zu nutzen. Umgeben von der Achalm und dem Schwäbischen Albtrauf ist der Ort malerisch eingebettet in ein windgeschütztes Tal (auf einer Höhe von ca. 465 m über Normalnull). Weitläufige Streuobstwiesen liefern alljährlich genügend Obst zum traditionellen Mosten. Das schön gelegene Freibad, sowie Wanderwege rund um Eningen und nicht zuletzt das Freizeitgebiet »Eninger Weide« laden zur Entspannung ein. Und für seine gute Luft ist der Ort unterhalb der Achalm ja bekannt. Im Jahr 1970 wurde Eningen unter Achalm gar als Erholungsort ausgezeichnet. Von insgesamt ca. 2.316 ha Markungsfläche sind ca. 848 ha Waldgebiet.

Verwaltungstechnisch ist Eningen unter Achalm dem Landkreis Reutlingen im Regierungsbezirk Tübingen des Landes Baden-Württemberg zugeordnet. Es zählt heute 10.889 Einwohner/-innen (Stand 31.05.2009). Vor allem seit der Nachkriegszeit haben sich durch die Heimatvertriebenen und das industrielle Arbeitsplatzangebot viele »Neu-Eninger« zu den Alteingesessenen gesellt, und auch sie prägen den heutigen Charakter des Ortes unterhalb der Achalm.

Auch nachdem Eningen die Schallmauer der 10.000 Einwohner/-innen durchbrochen hat, ist es auch auf lange Sicht kein Thema, die Stadtrechte zu erlangen. Doch um so mehr ist Eningen unter Achalm stolz darauf, eine selbständige Gemeinde zu sein, mit eigener Identität und Geschichte.